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== Faschismusbegriff == === Worum geht es === Der Begriff Faschismus ist in eine tiefe Krise geraten. Sie drĂŒckt sich aus in der inflationĂ€ren und wahllosen Benutzung des Begriffs und der Loslösung von seinem eigentlichen Klasseninhalt, nĂ€mlich Diktatur des Kapitals zu sein. Die Ursache fĂŒr diese Krise kann schon in der historischen Begriffsbildung selbst liegen. Deshalb muss dessen KohĂ€renz und Aussagekraft untersucht werden. Das VerstĂ€ndnis vom Faschismus als eine der bĂŒrgerlichen Demokratie entgegengesetzte Herrschaftsform der Bourgeoisie (siehe dazu: [[Faschismus_und_Demokratie|Faschismus und Demokratie]]) und/oder als eine nur von Teilen der Kapitalistenklasse favorisierte UnterdrĂŒckungsvariante (siehe dazu: [[Faschismus_als_Herrschaft_von_Teilen_des_Finanzkapitals|Faschismus als Herrschaft von Teilen des Finanzkapitals]]) öffneten und öffnen bis heute TĂŒr und Tor fĂŒr illusionĂ€re Vorstellungen ĂŒber das Wesen des imperialistischen Staates und seiner Diktatur ĂŒber die ausgebeuteten Klassen. Faschismus als Begriff fĂŒr die Charakterisierung von politischen Bewegungen muss auch prĂ€zisiert werden, da seine Anwendung oft unklar ist oder als beliebig einsetzbare Metapher fĂŒr alles ReaktionĂ€re missbraucht wird. Von bĂŒrgerlicher Seite wird Faschismus als historischer Ăberbegriff, der z.B. den deutschen, den italienischen und den spanischen Faschismus als wesensverwandte PhĂ€nomene betrachtet, immer wieder angegriffen, sei es durch den Versuch, ihn nur auf ein Land zu beschrĂ€nken oder einzelne historische Erscheinungen auszuklammern. Heutzutage haben sich zum Beispiel groĂe Teile der bĂŒrgerlichen Geschichtsschreibung vom generischen Faschismus-Begriff entledigt. In Bezug auf den deutschen Faschismus ĂŒbernimmt man etwa die demagogische Selbstbezeichnung der deutschen Faschisten und spricht von "Nationalsozialismus". Diese Bestrebungen der BĂŒrgerlichen haben das Ziel die historischen Erscheinungen des Faschismus voneinander zu separieren und ihr gemeinsames Wesen, nĂ€mlich die terroristische Diktatur des Monopolkapitals auf der ökonomischen Basis des Imperialismus zu sein, zu verschleiern. Wenn wir den Faschismusbegriff erneut zur Diskussion stellen wollen, dann tun wir das nicht, um dieses Wesen zu verwischen, sondern im Gegenteil um den Klassencharakter des Faschismus noch deutlicher und expliziter hervorzuheben. Die Frage, die sich stellt ist, ob es in Abgrenzung zum Begriff der ''imperialistischen Diktatur'' noch einen weiteren Begriff braucht, wie dieser wissenschaftlich abgeleitet und abgegrenzt werden kann und welche problematischen/ideologischen Fehlleitungen eventuell schon im Begriff selbst angelegt sind? Es geht auch darum nachzuvollziehen, unter welchen Gesichtspunkten er in der KI-Definition von der Bewegungsbeschreibung zur Bezeichnung einer Herrschaftsform des Imperialismus avancierte. === AktualitĂ€tsbezug === Es sind aktuelle Probleme, die die Frage nach einer klaren Definition des Faschismus immer wieder auf die Tagesordnung bringen. So werden zum Beispiel auch in der kommunistischen Bewegung PhĂ€nomene wie der sogenannte Islamische Staat âISâ als faschistisch eingestuft und Kommunistische Parteien entsenden junge KĂ€mpfer, um dort analog zu den historischen Internationalen Brigaden den Kampf gegen diesen âFaschismusâ zu fĂŒhren. Auch die Erdogan-Regierung in der TĂŒrkei wird z.B. von vielen tĂŒrkischen kommunistischen Organisationen in Deutschland als faschistisch begriffen â diese Analyse hat groĂen Einfluss, nicht nur unter antiimperialistischen-kommunistischen Linken in Deutschland. Auch die Entwicklung in Deutschland wird vermehrt unter Stichworten der âFaschisierungâ, bzw. der drohenden MachtĂŒbernahme des Faschismus durch eine Regierungsbeteiligungen der AfD etc. diskutiert. Wie deuten wir PhĂ€nomene des Abbaus demokratischer Rechte und den Ausbau von autoritĂ€ren Herrschaftsformen und immer weitreichenderen Repressionsinstrumenten durch den BRD-Staat, ohne die analytische TrennschĂ€rfe des Faschismus-Begriffs aufzugeben? Wie schĂ€tzen wir den Erfolg neuer Parteien wie der AfD ein, können sie als âfaschistischeâ Parteien eingeordnet werden? Droht uns ein neuer Faschismus in Deutschland? Die genaue Bestimmung und Abgrenzung von Faschismus als Bewegung und Herrschaftsform ist die Voraussetzung um aktuelle Erscheinungen des BRD-Imperialismus und neue Partei- und OrganisationsgrĂŒndungen adĂ€quat einschĂ€tzen und abgrenzen zu können. Welche praktischen Schlussfolgerungen aus der Kennzeichnung eines Staates als faschistisch historisch gezogen wurden bzw. zu ziehen sind, wird bereits in den Darstellungen zur Frage der [[Sozialdemokratie_als_Kraft_des_Fortschritts|Sozialdemokratie als Kraft des Fortschritts]] und zur [[Sozialfaschismusthese]] diskutiert. === Hintergrund === UrsprĂŒnglich leitet sich der Begriff âFaschismusâ von der Selbstbezeichnung italienischer Miliz-Organisationen ab â der "Fasci Italiani di Combattimento" â die seit ihrer GrĂŒndung 1919 im Auftrag der GroĂgrundbesitzer Landarbeiterstreiks mit terroristischen Mitteln niederschlugen. Als Erkennungszeichen verwendeten diese Gruppen das als "Fascio" bezeichnete RutenbĂŒndel und die Henkersaxt, das antike Symbol der Exekutive des römischen Imperiums. Unter der FĂŒhrung von Benito Mussolini entwickelten sich die Milizen der "Fasci Italiani" zu einer politischen Bewegung, die die Ăbernahme der Staatsmacht anstrebte. Im kommunistischen Sprachgebrauch löste der Faschismus-Begriff die Ă€ltere Bezeichnung âWeiĂgardistenâ ab, die sich im Kontext der russischen Revolutionen und des russischen BĂŒrgerkriegs zeitweise als Sammelbegriff fĂŒr konterrevolutionĂ€re paramilitĂ€rische KrĂ€fte eingebĂŒrgert hatte. Die Kommunisten benutzten den Begriff Faschismus, um die Wesensgleichheit dieser extrem reaktionĂ€ren Bewegungen ĂŒber alle nationalen Unterschiede hinweg aufzuzeigen, auch wenn diese jeweils unterschiedliche Selbstbezeichnungen verwendeten, z.B. die âNationalsozialistenâ in Deutschland. Viele Bewegungen, die in der kommunistischen Diskussion als faschistisch bezeichnet werden und wurden, benutzen diese Selbstbezeichnung nicht. Die Selbstbezeichnung der italienischen Bewegung als âfaschistischâ wurde also durch die KomIntern ĂŒbernommen und als Sammelbegriff definiert, um diesen schlieĂlich auch auf andere, aus dieser Sicht wesensgleiche Erscheinungen dieser Zeit anwenden und von anderen PhĂ€nomenen abgrenzen zu können. Dieses Ringen um eine historisch-materialistische Faschismusdefinition ist dokumentiert in zahlreichen Protokollen, Reden, FlugblĂ€tter und BroschĂŒren der KomIntern und ihrer Sektionen. Es liegen uns aber keine wissenschaftlichen Werke der Klassiker vor, in denen der systematische Versuch einer Definition des Faschismus an der Macht und als politische Bewegung vorgenommen wurde. Dies ist natĂŒrlich aus der zugespitzten historischen Situation zu erklĂ€ren, und daraus, dass die Erfahrung der Hitlerdiktatur noch in der Zukunft lag. Weiter zeichnete sich der Begriff immer auch durch eine starke agitatorisch-propagandistische Dimension aus, seine Funktion war immer auch die Arbeiter in Angesicht der âfaschistischenâ Reaktion zu mobilisieren. === Probleme des Begriffs === Welche Probleme stellen sich bei dem Begriff des Faschismus? Das Hauptproblem ist die Abgrenzung von anderen Formen der imperialistischen Diktatur. Unsere Definition eines Begriffs sollte sich nicht auf die ideologischen Erscheinungsformen (z.B. âRassenlehreâ) oder konkrete historische Ă€uĂere Formen (z.B. âFĂŒhrerprinzipâ) reduzieren, sondern das Wesen dieser Erscheinungen beschreiben. Bei der Analyse der verschiedenen als faschistisch bezeichneten Regime stoĂen wir auf groĂe Unterschiede in den jeweiligen LĂ€ndern. Das stellt uns vor das Problem, dass es offenbar weder ein formales (z.B. das Vorhandensein einer Massenbasis) noch ein ideologisches (z.B. Antisemitismus als kleinster gemeinsamer Nenner) Kriterium gibt, anhand dessen zum Beispiel eindeutig die faschistische Diktatur von einer MilitĂ€rdiktatur unterschieden werden könnte. Genauso stellt sich die Frage, ab welchem Grad der staatlichen Angriffe auf die Arbeiterbewegung von einer faschistischen Herrschaft gesprochen werden muss? AuĂerdem in welchem VerhĂ€ltnis dazu Integrationsmechanismen stehen, aber auch âsanfteâ Repression wie zum Beispiel die gesetzliche EinschrĂ€nkung des Streikrechts, die auf verhĂ€ltnismĂ€Ăig friedlichem Wege das Verbot politischer Streiks bedeutet und in ihrer Konsequenz eine Ă€hnliche EinschrĂ€nkung der Arbeiterbewegung mit sich bringt, wie die blutige Niederschlagung von Streiks. Gleichzeitig gibt es auch zahlreiche historische Beispiele fĂŒr offen terroristische MaĂnahmen des bĂŒrgerlichen Staats, ohne dass eine faschistische Partei an der Macht gewesen wĂ€re, so z.B. bei der Niederschlagung der Novemberrevolution in Deutschland 1918/19 unter FĂŒhrung der SPD. Bediente sich in diesem Fall nicht auch die Sozialdemokratie âfaschistischerâ Herrschaftsmethoden? Formulierungen wie âoffenen Diktaturâ, âMachtĂŒbernahmeâ oder âdrohender Faschismusâ suggerieren eine plötzliche EinfĂŒhrung der Diktatur mit gewissen qualitativen Ănderungen im Staatsapparat, die aber historisch selbst in Deutschland eher schrittweise vorgenommen wurden, in Italien sogar viel langsamer und schleichender und lange unter der Beibehaltung wesentlicher Elemente der parlamentarischen Demokratie. Oder kann es sich auch um eine mögliche Kombination verschiedener Formen der âFaschisierungâ handeln, verschĂ€rfter, offener Formen der Faschisierung bei gleichzeitiger Anwendung und Vorbereitung verdeckter faschistischer Mittel (z.B. der Aufbau von faschistischen âUntergrundarmeenâ). Können wir immer noch von einem schlagartigen Wechsel der Herrschaftsform wie im historischen Faschismus ausgehen? Und wenn nicht, ab welchem MaĂ quantitativer VerĂ€nderungen ergibt sich fĂŒr uns eine neue QualitĂ€t der Herrschaftsform? Wir gehen auch nicht davon aus, dass der Faschismus eine andere ökonomische Grundlage als der Imperialismus hat. Doch wird unter dem Begriff Faschismus nicht tatsĂ€chlich hĂ€ufig nicht nur eine âneueâ Herrschaftsform, sondern auch die MachtĂŒbernahme durch andere soziale TrĂ€ger oder gar der Ăbergang zu einer anderen Gesellschaftsform verstanden, die eine verĂ€nderte Funktion und ein qualitativ neues Wesen hat? Identifiziert der Faschismus-Begriff nicht die Helfer der Diktatur (die faschistischen Banden) mit dessen Inhalt und tatsĂ€chlichen Protagonisten (dem Kapital)? Die Ziele und die Funktion des âFaschismusâ sind schlieĂlich im Kern die Gleichen wie die der sogenannten bĂŒrgerlichen Demokratie, nĂ€mlich die Niederhaltung der Arbeiterklasse und die Sicherung der eigenen Klassenherrschaft â auch wenn die faschistische Herrschaft dabei bestimmte Methoden der MachtausĂŒbung offener anwendet. Die Ziele der bĂŒrgerlichen Herrschaft, ob nun unter demokratischen oder faschistischen Vorzeichen, sind die Sicherung der Profite und Einflussgebiete, auĂerdem die VergröĂerung derselben durch Neuaufteilung der Welt (also Krieg) und als ĂŒbergeordnetes Ziel den Erhalt der imperialistischen Weltordnung. Letztendlich ist das, was wir wesentlich mit dem Faschismus-Begriff beschreiben wollen, die unverhĂŒllte, also offen terroristische ''imperialistische Diktatur''. Eine problematische Ableitung, die aus der Kennzeichnung einer imperialistischen Herrschaftsform als faschistisch resultieren kann, ist die GegenĂŒberstellung von Faschismus und Demokratie (siehe: [[Faschismus und Demokratie]]). GroĂe Teile der Kommunistischen Bewegung haben daraus die Schlussfolgerung gezogen, die Verteidigung der bĂŒrgerlichen Demokratie gegen den Faschismus gehöre zu den wichtigsten Aufgaben des antifaschistischen Kampfes â meist mit dem Argument der besseren Kampfbedingungen fĂŒr die Arbeiterbewegung. Damit hing hĂ€ufig die Vorstellung zusammen, dass es verschiedene mehr oder wenige demokratische Teile des Kapitals gĂ€be, die jeweils verschiedene Herrschaftsformen vorziehen. Hieraus kann dann ein antifaschistisches BĂŒndnis mit den weniger reaktionĂ€ren Teilen der Bourgeoisie abgeleitet werden (siehe dazu: [Breite BĂŒndnisse]). NatĂŒrlich hat die KI den Begriff zunĂ€chst nicht so missverstĂ€ndlich verwendet, wie seine heutige Rezeption teilweise nahelegt. Genauso wenig wie sie den Faschismus dem Imperialismus entgegengestellt hat. Die Frage ist dennoch, wofĂŒr es einen neuen Begriff brauchte, um die VerĂ€nderungen in der Form der imperialistischen Diktatur zu beschreiben â ging es vor allem darum die besondere Grausamkeit dieser Bewegungen und Herrschaftsformen gegenĂŒber der Arbeiterklasse herauszustellen? Aus unserer Sicht stellt sich die Frage â und diese wollen wir in den nĂ€chsten jahren diskutieren und prĂŒfen â ob nicht die Formulierung âoffene und verdeckte Diktatur des imperialistischen Staatesâ besser geeignet ist, um die verschiedenen Herrschaftsformen der Bourgeoisie im Imperialismus zu kennzeichnen und so MissverstĂ€ndnisse und Illusionen ĂŒber den Charakter des bĂŒrgerlichen Staates zu vermeiden.
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