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== Welche Positionen gibt es? Wer vertritt sie? == === Historischer Ăberblick === Den historischen Hintergrund der Sozialfaschismusthese bildete laut Kurt Gossweiler â[d]as Erlebnis, dass die sozialdemokratischen FĂŒhrer fĂ€hig waren, Millionen Proletarier auf die Schlachtfelder des imperialistischen Krieges zu jagen; dass sie fĂ€hig waren, im BĂŒndnis mit den kaiserlichen GenerĂ€len das revolutionĂ€re deutsche Proletariat abzuschlachten und seine FĂŒhrer kaltblĂŒtig ermorden zu lassen, â diese Erlebnisse haben den Grundstein zur Theorie vom Sozialfaschismus gelegtâ.<ref>Gossweiler, Kurt: Zur Strategie und Taktik der KPD in der Weimarer Republik, 2002.</ref> Erstmalig taucht der Begriff wahrscheinlich in den Diskussionen des Exekutivkomitees der KomIntern (EKKI) Anfang 1924 um den gescheiterten Hamburger Aufstand auf. Als bekanntester Ausspruch wird Josef Stalin zitiert, der die Sozialdemokratie als âZwillingsbruderâ des Faschismus bezeichnete.<ref>Stalin, Josef: Zur internationalen Lage, Berlin/DDR 1952, S.253.</ref> Damit war gemeint, dass sowohl Sozialdemokratie als auch Faschismus StĂŒtzen des imperialistischen Systems seien. Ein BĂŒndnis mit der FĂŒhrung der SPD wurde durch die KPD abgelehnt. Diese Linie wurde auf dem 6. Weltkongress der Kommunistischen Internationale 1928 bestĂ€tigt und weiter ausgearbeitet. Sieben Jahre spĂ€ter auf dem VII. Weltkongress der Komintern 1935 beschloss der Kongress dann die Abkehr von der Theorie des Sozialfaschismus und auĂerdem die taktische Neuorientierung auf die Volksfront. Die These vom Sozialfaschismus wurde als Hindernis im Ringen um eine proletarische Einheitsfront bewertet (Pieck 1935). Im Gegensatz zur Sozialfaschismusthese orientierte die Volksfrontpolitik nun auf eine Aktionseinheit der Kommunisten und der Sozialdemokraten im Kampf gegen den Faschismus und unter bestimmten Bedingungen sogar auf die Bildung gemeinsamer Volksfront-Regierungen (so z.B. in Frankreich und Spanien). Auf der einen Seite betonten mehrere Redner, dass es richtig gewesen sei, vor 1930 den scharfen Kampf gegen die SPD gefĂŒhrt zu haben (Pieck 1935), auf der anderen Seite, grenzte sich insbesondere Dimitroff mehrmals von âsektiererischen Fehlernâ der Vergangenheit ab und bezog dies auch auf die BĂŒndnispolitik der KPD. <ref>Dimitroff, Georgi: Arbeiterklasse gegen Faschismus, 1935.</ref> Inwiefern die Abkehr von der Sozialfaschismusthese Ergebnis taktischer oder grundsĂ€tzlicher ErwĂ€gungen war, muss noch untersucht werden.<ref>Vgl. Stoodt, Hans Christioph: Volksfront, breites BĂŒndnis, Antimonopolistische Demokratie, 2017. URL: http://news.dkp.suhail.uberspace.de/2017/03/volksfront-breites-buendnis-antimonopolistische-demokratie/ (27.12.2018). </ref> Eine genaue Bewertung der Diskussionen des 7.Weltkongresses und dessen Folgen steht fĂŒr uns noch an. FĂŒr die groĂe Mehrheit der deutschen kommunistischen Bewegung schienen nach dem Zweiten Weltkrieg die Lehren der Vergangenheit allerdings eindeutig zu sein: Sowohl in der jungen DDR als auch in der sich erst wieder konstituierenden, dann ab August 1956 erneut illegalen KPD war man sich einig darin, dass die These vom Sozialfaschismus einer der gravierendsten Fehler der kommunistischen Weltbewegung (KWB) vor 1933 gewesen war. Viele gingen sogar so weit, dass die Ăberwindung der Sozialfaschismusthese und die Einsicht in die Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit der Sozialdemokratie und anderen âfortschrittlichen KrĂ€ftenâ die zentrale Lehre aus dem deutschen Faschismus gewesen sei. Die VorwĂŒrfe, die der KPD gemacht wurden und bis heute im Raum stehen, lassen sich wie folgt zusammenfassen: * Sie habe keine Unterscheidung zwischen âSozialfaschistenâ und âNationalfaschistenâ getroffen, Faschismus und Sozialdemokratie also gleichgesetzt und gleichermaĂen bekĂ€mpft. * Die KPD habe die bĂŒrgerlich-demokratische Herrschaft und die faschistische Diktatur gleichgesetzt. Sie hĂ€tte ein BĂŒndnis mit der FĂŒhrung der SPD zur Verteidigung demokratischer Errungenschaften frĂŒhzeitig eingehen sollen. So habe sie den Widerstand gegen den Faschismus geschwĂ€cht. * Die KPD habe den Unterschied in der sozialen Basis der Sozialdemokratie und der faschistischen Bewegung nicht erkannt. So habe die sie die faschistische Massenbewegung unterschĂ€tzt. * Der Begriff Sozialfaschismus war massenfeindlich, weil er nicht schaffte, den Unterschied zwischen sozialdemokratischer Basis und FĂŒhrung differenziert zu vermitteln und so den Aufbau einer âEinheitsfront von untenâ verhinderte. Dies sind auch VorwĂŒrfe, die den Kommunisten von Seite bĂŒrgerlicher Antikommunisten und der Sozialdemokratie gemacht werden. Sie suchen so ihre arbeiterfeindliche und verrĂ€terische Rolle in der Weimarer Republik und ihre Schuld an der MachtĂŒbertragung an die NSDAP zu vertuschen. Die SPD hatte in der Weimarer Republik ihrerseits selbst eine aggressiv antikommunistische Propaganda der systematischen Gleichsetzung von Kommunismus und Faschismus betrieben â musste sich im antikommunistischen Klima des Kalten Krieges jedoch nie fĂŒr diese ârotlackierte-Faschistenâ-These rechtfertigen, geschweige denn sich den Vorwurf einer Mitschuld am Aufstieg des Faschismus gefallen lassen. Sie lag mit ihrer damaligen Politik rĂŒckblickend ganz auf der Linie der Totalitarismus-Doktrin der Nachkriegszeit und damit völlig im Einklang mit der Staatsraison der BRD. Das Erkenntnisinteresse der kommunistischen Bewegung kann dagegen nicht in der Diffamierung der damaligen Genossen oder in ahistorischen Schuldzuweisungen und Abrechnungen liegen, sondern richtet sich ganz auf die Frage nach den Ursachen unserer historischen Niederlage, nach den Fehlern, die die KPD und die Arbeiterklasse so viele Opfer gekostet haben. Im Folgenden will dieser Artikel einen ersten Ăberblick ĂŒber die verschiedenen EinschĂ€tzungen zur Sozialfaschismusthese innerhalb des Spektrums der deutschen kommunistischen Bewegung geben. === DKP === Die DKP bewertete und bewertet die Sozialfaschismusthese als den gröĂten Fehler der deutschen Kommunisten. Viele DKPler geben in der Regel der KI, aber insbesondere dem Einfluss Josef Stalins die Schuld daran, die deutschen Kommunisten in ihrer EinschĂ€tzung irregeleitet und dazu gebracht zu haben, die SPD als "sozialfaschistisch" zu bekĂ€mpfen, anstatt ihr gegenĂŒber eine Einheitsfrontpolitik zu betreiben. In dem Buch â25 Jahre DKPâ herausgegeben vom ehemaligen Vorsitzenden der DKP, Heinz Stehr und seinem damaligen Stellvertreter Rolf Priemer, entwickelten verschiedene damalige Leitungsmitglieder der DKP Grundpositionen zu Geschichte und Ideologie der DKP. In dem Abschnitt zur Parteifrage heiĂt es: {{Zitat |Denken wir nur an ein Beispiel, an den 7. Weltkongress der Kommunistischen Internationale von 1934 [sic!] [gemeint ist 1935; Anm. Autor] und die BrĂŒsseler Konferenz der KPD im Jahr darauf. Dort erfolgte eine kritische Aufarbeitung der Erfahrungen im Kampf gegen den Faschismus, die Korrektur eigener Fehler, wie z. B. der âSozialfaschismusthese". Es wurde eine antifaschistische Einheitsfrontstrategie entwickelt, die bis heute zu den Grundlagen kommunistischer Politik zĂ€hlt. [âŠ] Es bleibt dabei eine bittere Wahrheit, daĂ auch nach dem 7. WeltkongreĂ durch den Stalinschen Dogmatismus der kommunistischen Bewegung schlimmer Schaden entstand, durch seine WillkĂŒrherrschaft tiefe Wunden geschlagen wurden.|Freyeisen, Bruni et al.: Aufzeichnungen ĂŒber die Parteifrage, Essen 1993, S.43.}} Der Umschwung zur "Volksfront"-Politik, so die ĂŒbliche EinschĂ€tzung in der DKP, sei zwar richtig gewesen, allerdings zu spĂ€t vollzogen worden. Es hĂ€tte bereits frĂŒhzeitig auf ein BĂŒndnis mit der FĂŒhrung der SPD gesetzt werden sollen. Auch der VI. Weltkongress habe noch eine falsche Faschismusanalyse vertreten. Die Kommunisten hĂ€tten zu diesem Zeitpunkt die Weimarer Republik verteidigen mĂŒssen, anstatt fĂŒr die sozialistische Revolution zu kĂ€mpfen, liest man etwa in einem DKP Bildungsheft von 2011. {{Zitat |So wurde auf dem Vl. Weltkongress der Komintern vom Ende der zwanziger Jahre eingeschĂ€tzt, eine neue Epoche der Kriege und Revolutionen beginne. Diese EinschĂ€tzung war ja nicht durchweg falsch, wurde jedoch mit der Folgerung verbunden, der bĂŒrgerliche Demokratie-Typus sei historisch ĂŒberholt, denn die Revolution stehe auf der Tagesordnung[âŠ].Das wurde teils unzureichenden, teils direkt falschen Faschismus-Analyse (Sozialfaschismus-âTheorieâ) verbunden und fĂŒhrte dazu, dass die Kommunisten in Deutschland ihre historische Aufgabe bei der Verteidigung der Weimarer Republik verkannten.|DKP-Bildungsheft: Imperialistischer Staat und Demokratie, 2011, S.15.}} Vor allem habe die Sozialfaschismusthese den Unterschied zwischen der bĂŒrgerlichen Demokratie und der faschistischen Diktatur nicht erkannt und so den Widerstand massiv geschwĂ€cht. Der fĂŒhrende DKP-Theoretiker Josef Schleifstein schreibt dazu: {{Zitat |Dies wurde durch die SchluĂfolgerung ergĂ€nzt, dass man mit der âKonstruierung eines Gegensatzes zwischen Faschismus und der bĂŒrgerlichen Demokratie sowie zwischen den parlamentarischen Formen der Diktatur der Bourgeoisie und den offenen faschistischen Formenâ aufhören mĂŒsse. Es ist klar, daĂ dies nicht nur die Herstellung der Einheitsfront mit den sozialdemokratischen Massen gegen faschistische Gefahr erschweren, sondern auch zu einer UnterschĂ€tzung dieser Gefahr fĂŒhren muĂte. So wurde der fĂŒr die Kampfbedingungen der Arbeiterklasse bedeutsame Unterschied zwischen bĂŒrgerlich-parlamentarischen und faschistischen Herrschaftsmethoden der Bourgeoisie negiert[âŠ].|Schleifstein, Josef: Die âSozialfaschismusâ-These: Zu ihrem geschichtlichen Hintergrund, Essen 1980.}} Mit dem VII. Weltkongress hatte die Bewegung, so die DKP-Position, diese historische Lektion aber gelernt â und bewahrt sie seither in der Strategie der Antimonopolistischen Demokratie (AMD), welche u.a. zentral mit dem 7.Weltkongress begrĂŒndet wird <ref>vgl. Stoodt, HC.: Volksfront, breites BĂŒndnis, Antimonopolistische Demokratie, Frankfurt, 2017. </ref><ref>vgl. Spanidis, Thanasis: Der VII. Weltkongress und seine Folgen, 2017. </ref> obwohl die antifaschistische Volksfront-Taktik nie als langfristige und allgemeingĂŒltige Strategie gedacht war und auch nicht als solche beschlossen wurde.<ref>vgl. Stoodt, HC.: Volksfront, breites BĂŒndnis, Antimonopolistische Demokratie, Frankfurt 2017. </ref> Die praktischen Folgerungen sind weitreichend â im Programm von 1978 betonte die DKP ausdrĂŒcklich ihr freundschaftliches VerhĂ€ltnis zur Sozialdemokratie und bekundigte ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der SPD ([[Sozialdemokratie als Kraft des Fortschritts|siehe auch Sozialdemokratie als Kraft des Fortschritts]] oder auch [[âAntimonopolistische Demokratieâ (DKP)| Antimonopolistische Demokratie]]).<ref>DKP: Protokoll des Mannheimer Parteitags der Deutschen Kommunistischen Partei, Mannheim 1978, S.259. </ref> Allerdings gibt es Teile der DKP und einige DDR-Historiker, die anerkennen, dass die historischen Erfahrungen seit 1914 â vor allem wĂ€hrend der Novemberrevolution und der Weimarer Republik â der Sozialfaschismusthese groĂe PlausibilitĂ€t gaben. So zum Beispiel Josef Schleifstein in seiner Monographie âDie Sozialfaschismustheseâ, in welcher er ausfĂŒhrlich den Verrat der SPD an der Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik nachzeichnet. {{Zitat |Nur auf diesem Hintergrund wird die âSozialfaschismusâ-These ĂŒberhaupt verstĂ€ndlich. Sie hat zweifellos die Herstellung einer gemeinsamen Front gegen den Faschismus erschwert. Aber sie war nicht die Ursache, sondern die Reaktion auf die sozialdemokratische Politik seit dem August 1914 und seit der Novemberrevolution 1918.|Schleifstein, Josef: Die âSozialfaschismusâ-These: Zu ihrem geschichtlichen Hintergrund, Essen 1980.}} Die âlinkenâ KrĂ€fte in der DKP stimmen der Analyse, die Sozialdemokratie sei die "soziale HauptstĂŒtze" (KI Programm 1928) des Imperialismus fĂŒr den Ersten Weltkrieg, die Novemberrevolution und den gröĂeren Teil der Geschichte der Weimarer Republik, zu. Die Orientierung, die rechte FĂŒhrung der SPD zu bekĂ€mpfen und den Einfluss des Opportunismus in der Arbeiterklasse zurĂŒckzudrĂ€ngen war demnach richtig. Der Fehler der Komintern und der deutschen Kommunisten bestand im Wesentlichen darin, zu spĂ€t erkannt zu haben, dass die Bourgeoisie sich mit dem Faschismus eine "zweite HauptstĂŒtze" aufgebaut hatte und auf die Integrationsfunktion der Sozialdemokratie fĂŒr die Vorbereitung des nĂ€chsten imperialistischen Krieges nicht mehr angewiesen war. === Kurt Gossweiler / DDR === Die Auffassungen in DKP und DDR zur Sozialfaschismusthese waren wohl ĂŒberwiegend deckungsgleich. Eine tiefergehende Recherche ĂŒber eventuellen Dissens innerhalb der DDR-Wissenschaft steht aber noch an. Exemplarisch fĂŒr die Bewertung der Sozialfaschismusthese seitens der DDR-Historiographie kann die Studie âZur Strategie und Taktik der KPDâ des DDR-Historikers Kurt Gossweiler deswegen nicht genannt werden, weil sie zwar 1957 von ihm verfasst, allerdings erst viele Jahre spĂ€ter nach der Konterrevolution veröffentlicht wurde (2002). Trotzdem kann sie als interessanter Einblick in interne Diskussionen unter DDR-Historikern eingeschĂ€tzt werden. Gossweilers zusammenfassendes Urteil ĂŒber die These vom Sozialfaschismus ist: {{Zitat |Obwohl die Kennzeichnung der Politik der rechtssozialistischen FĂŒhrer als Politik des schĂ€ndlichsten Verrats an den Interessen der Arbeiterklasse und der Wegbereitung fĂŒr den Faschismus vollkommen richtig war, waren die wesentlichsten Schlussfolgerungen, die seitens der K.I. und der KPD daraus gezogen wurden, irrig. Das betrifft vor allem die Theorie des âSozialfaschismusâ; die EinschĂ€tzung der SPD als HauptstĂŒtze der Bourgeoisie bis 1933 und die These, dass der HauptstoĂ gegen die SPD gefĂŒhrt werden mĂŒsse.|Gossweiler, Kurt: Zur Strategie und Taktik der KPD in der Weimarer Republik, 2002.}} Er spricht sich klar gegen Illusionen ĂŒber die sozialdemokratischen FĂŒhrer aus, deren âoffizielle Strategieâ die âVerewigung der Spaltungâ der Arbeiter sei. Es sei aber die Aufgabe der Kommunisten gewesen, den Arbeitern selbst die Möglichkeit zu geben, sich davon zu ĂŒberzeugen, dass ânur die Kommunisten VorkĂ€mpfer der Arbeitereinheit, die rechten sozialdemokratischen und GewerkschaftsfĂŒhrer aber verantwortlich fĂŒr die Spaltung und deren Aufrechterhaltung sind.â<ref>ebd. </ref> Das hĂ€tte eine âsolche elastische Taktikâ erfordert, âdass es auch den raffiniertesten Manövern der rechten FĂŒhrer nicht gelingt, die Kommunisten in den Augen der Massen als Gegner der Arbeitereinheit hinzustellen [âŠ]â.<ref>ebd., S.X-Y. </ref> Die These vom Sozialfaschismus habe es den FĂŒhrern der Sozialdemokratie leicht gemacht, die KPD als Gegner der Einheit zu brandmarken: {{Zitat |Diese mehrfachen, demagogischen Angebote der SPD-FĂŒhrung an die KPD wurden von ihr abgelehnt mit der BegrĂŒndung: Einheitsfront mit den sozialdemokratischen Arbeitern â ja, mit den sozialfaschistischen FĂŒhrern â niemals. Diese starre Festlegung der KPD hat es den sozialdemokratischen FĂŒhrern ĂŒberhaupt erst erlaubt, solche demagogischen Einheitsfrontangebote zu starten, da sie von vornherein wussten, dass keine Gefahr ihrer Annahme bestand. [⊠]|ebd.}} Er betont aber, dass die Sozialfaschismusthese die historische Widerspiegelung des Verrats der Sozialdemokratie war und nicht lediglich dem âDogmatismusâ einzelner Köpfe wie Stalin entsprang: {{Zitat |Durch die Ereignisse in Italien, Bulgarien und Deutschland war auch die Frage des VerhĂ€ltnisses zwischen Faschismus und Sozialdemokratie aufgeworfen worden. In allen diesen LĂ€ndern hatte sich gezeigt, dass die Spitzen der sozialdemokratischen Parteien und der reformistischen Gewerkschaften zu einer VerstĂ€ndigung mit dem Faschismus zu kommen suchten. [âŠ] Die Theorie von den âZwillingsbrĂŒdernâ kann nicht als die Theorie eines Einzelnen, Stalins, betrachtet werden, sondern sie war die Auffassung der ĂŒbergroĂen Mehrzahl aller fĂŒhrenden Köpfe der Kommunistischen Internationale, gebildet auf Grund der Erfahrungen der Jahre 1920 bis 1924.|ebd.}} Trotzdem hĂ€lt er die âdie Gleichsetzung von Faschismus und Sozialdemokratieâ fĂŒr einen Fehler, sie âwar theoretisch falsch und praktisch von verhĂ€ngnisvollster Auswirkung, weil sie eine wichtige theoretische BegrĂŒndung fĂŒr all die linkssektiererischen Fehler in der darauffolgenden Zeit [âŠ] wurdeâ. Das gleiche gelte fĂŒr die Einordnung der linken Sozialdemokratie als gröĂten Feind der Arbeiterbewegung: âEin weiterer Ausdruck der Abweichung in der Richtung des linken Sektierertums war auch die neuerliche schematische Abstempelung aller linken SP-FĂŒhrer als der gefĂ€hrlichsten Feinde der Arbeiterbewegungâ.<ref>ebd. </ref> Gossweiler kritisiert schlieĂlich den Begriff Sozialfaschismus als schematische und unscharfe Weiterentwicklung der Leninschen Begriffe von âSozialimperialismusâ und âSozialchauvinismusâ. Er kritisiert die KPD und KI fĂŒr ihr fehlendes VerstĂ€ndnis der Unterschiede der Basis und der Herrschaftsformen von Sozialdemokratie und Faschismus. {{Zitat |Die Formulierung âSozialfaschismusâ wĂ€re nur dann zutreffend, wenn die SPD zum TrĂ€ger der faschistischen Diktatur, d.h. der offenen, terroristischen Diktatur ĂŒber die gesamte Arbeiterklasse und deren Organisationen werden könnte, ohne dass sie damit aufhörte, Sozialdemokratie zu sein, d.h. Agentur der Bourgeoisie, deren spezifischer Wert fĂŒr die Bourgeoisie darin besteht, dass sie das Vertrauen eines erheblichen Teiles der organisierten Arbeiterklasse besitzt. Das aber ist unmöglich. Die Sozialdemokratie kann direkter TrĂ€ger der bĂŒrgerlichen Herrschaft nur unter der Bedingung sein, dass ihr die Bourgeoisie ein MindestmaĂ an Spielraum zur Vertretung ökonomischer und politischer Forderungen der Arbeiterklasse lĂ€sst, d.h. unter der Bedingung, dass noch ein MindestmaĂ an bĂŒrgerlicher Demokratie erhalten bleibt.|ebd.}} Die Gewalt in der Herrschaft der Sozialdemokratie sei eher die Ausnahme, nicht die Hauptmethode. Die Sozialdemokratie könne es sich nicht leisten, ihre gesamte Basis zu verprellen. âZur AusĂŒbung der faschistischen Diktatur muss sich deshalb die Bourgeoisie andere Instrumente schaffen, nicht etwa, weil Sozialdemokratie und Faschismus dem Klasseninhalt ihrer Politik nach unversöhnliche GegensĂ€tze bilden wĂŒrden, sondern weil die Art und Weise, wie beide die Bourgeoisie vor dem Ansturm der Arbeiterklasse zu bewahren suchen, in ihrem Hauptakzent verschieden sind.â<ref>ebd. </ref> Nichtsdestotrotz ist es nur die Sozialdemokratie, die dem Faschismus an die Macht verhelfen kann, sie ist âfĂŒr die Bourgeoisie dennoch von groĂer Wichtigkeit in der Ăbergangsphase von der bĂŒrgerlichen Demokratie zur faschistischen Diktatur. In dieser fĂŒr die Bourgeoisie kritischen Situation des Ăberganges von der einen zur anderen Herrschaftsform [âŠ] hat die Sozialdemokratie die Funktion, die Bourgeoisie gegen die Angriffe der Arbeiterklasse abzuschirmen. Ob sie diese Funktion zu erfĂŒllen vermag oder nicht, hĂ€ngt weitgehend davon ab, ob die kommunistische Partei ihr erlaubt, diese Rolle zu spielen.â<ref>ebd. </ref> ([[Antifaschismus |Siehe Antifaschistische Strategie]] und [[Sozialdemokratie als Kraft des Fortschritts|Sozialdemokratie als Kraft des Fortschritts]]) === K-Gruppen === Ein vollstĂ€ndiger Ăberblick ĂŒber die verschiedenen Haltungen der maoistischen K-Gruppen in Westdeutschland zur Sozialfaschismus-Frage kann hier nicht erfolgen. Allgemein kann gesagt werden, dass die Mehrzahl die EinschĂ€tzung der SPD als sozialfaschistisch durch die KPD fĂŒr einen Fehler hielt oder zumindest nicht auf die SPD nach 1945 anwenden mochte. Es gab aber auch solche Gruppen, die die Sozialfaschismusthese in ihrer Grundaussage als richtig einstuften, oder sogar die Kennzeichnung âsozialfaschistischâ auf die SPD und teilweise auch die Sowjetunion anwendeten. Ein Beispiel fĂŒr einen positiven Bezug auf die Grundaussage der Sozialfaschismusthese ist die Dissertation von Alexander von Plato, einem Theoretiker der KPD/Aufbauorganisation (KPD/AO, spĂ€ter KPD). Er vertritt die Auffassung, dass die Analyse der KPD, die SPD sei die âSteigbĂŒgelhalterinâ des Faschismus gewesen, durchaus richtig war, und dass es tatsĂ€chlich viele âĂberschneidungen zwischen sozialdemokratischen und faschistischen MaĂnahmenâ in der Weimarer Republik gegeben habe.<ref>Von Plato, Alexander: Zur EinschĂ€tzung der KlassenkĂ€mpfe in der Weimarer Republik, Berlin 1973, S.324-331.</ref> Er fĂŒhrt aus: {{Zitat |Die Geschichte der SPD beweist weiterhin, dass der Vorwurf der KPD und der Komintern, die SPD-FĂŒhrung sei sozialfaschistisch, GĂŒltigkeit besaĂ: Sowohl in ihrer Politik der Verelendung der Arbeiterklasse als auch in ihrem Terror, sowie in ihrem Arrangement mit den Nationalsozialisten und schlieĂlich in ihrer Ideologie wies die deutsche Sozialdemokratie dem Faschismus den Weg und erleichterte der NSDAP ihren Aufstieg. Die SPD war [...] einer der Wegbereiter des Faschismus.|Von Plato, Alexander: Zur EinschĂ€tzung der KlassenkĂ€mpfe in der Weimarer Republik, Berlin 1973, S.328f.}} Diese Position findet sich heute beim Kommunistischen Aufbau (KA) wieder: In ihrer BroschĂŒre âDie historische Bolschewisierungâ ĂŒbernehmen sie weitestgehend die EinschĂ€tzung Platos.<ref>vgl. Kommunistischer Aufbau: Die historische Bolschewisierung, 2015, S.17-19.</ref> Zum Teil findet sich bei den K-Gruppen auch eine Ăbertragung der Sozialfaschismusthese auf den real existierenden Sozialismus und damit eine Gleichsetzung der Sowjetunion mit dem Hitlerfaschismus. Im Zentralorgan der KPD/AO (spĂ€ter KPD), der Roten Fahne, hieĂ es 1976: {{Zitat |Daher ist es völlig richtig, die Diktatur der Bourgeoisie in der Sowjetunion als sozialfaschistische Diktatur zu kennzeichnen, die sich â je nach besonderen BedĂŒrfnissen der TĂ€uschung oder Niederhaltung â hinter den AushĂ€ngeschildern âStaat des ganzen Volkesâ oder âDiktatur des Proletariatsâ versteckt. Auch Hitler erklĂ€rte seinen faschistischen Terrorstaat zum Ausdruck einer ,Volksgemeinschaftâ, in dem es angeblich keine Klassen mehr gĂ€be, auch er bediente sich sozialistischer Phrasen, um ĂŒber den Klassencharakter der faschistischen Herrschaft zu tĂ€uschen. Der Unterschied zwischen Hitler und den neuen Zaren besteht allein darin, dass diese die faschistische UnterdrĂŒckungsmaschine und die sozialistischen Phrasen noch umfassender und perfekter ausgebaut haben.|zitiert nach Fischer, Michael: Horst Mahler. Biographische Studie zu Antisemitismus, Antiamerikanismus und Versuchen deutscher Schuldabwehr, Karlsruhe 2014, S.266.}} Auch die DDR war nicht vor dem Faschismusvorwurf sicher: In der Zeitung âRote Hilfeâ der KPD/AO hieĂ es: âEin Teil unseres Volkes muss unter dem Faschismus des DDR Regimes lebenâ.<ref>Ebd.<!--Von wann ist das Zitat? Welche Quelle ist hier gemeint? Fischer, Michael? --></ref> Die kommunistischen Parteien des âSowjetlagersâ waren aus Sicht einiger K-Gruppen also zu den Hauptvertretern eines âSozialfaschismusâ und damit zum Hauptfeind erklĂ€rt worden. Selbst in der Situation des Sturzes der portugiesischen Salazar-Diktatur, sah z.B. die KPD/AO die Hauptgefahr in einer "sozialfaschistischen Diktatur" getragen durch die sowjetnahe Kommunistische Partei Portugals (PCP).<ref>Steffen, Michael: Geschichten vom TrĂŒffelschwein. Politik und Organisation des Kommunistischen Bundes 1971-1991, 2002, S.116.<!--Ist das die richtige Quelle? Darin geht's doch um den KB, oder?--></ref> Der Kommunistische Arbeiterbund (KAB) lehnte den Begriff ab und betonte die Notwendigkeit breiter antifaschistischer BĂŒndnisse.<ref>vgl. ebd., S.49.<!--Welche Quelle ist hier gemeint?--></ref> Allerdings leiste die Sozialdemokratie ihren Beitrag zur Faschisierung der Gesellschaft, z.B. durch Notstandsgesetzgebung.<ref>ebd.</ref> Der Kommunistische Bund Westdeutschland (KBW) gab im September 1975 einen Artikel von Joscha Schmierer zum Thema Sozialfaschismus in einer BroschĂŒre heraus. Dieser war u.a. eine Reaktion auf die Dissertation Platos und Publikationen in der KPD/AO Zeitung Rote Fahne. Diese wĂŒrde in âapologetischer Weiseâ die Sozialfaschismus-These behandeln, die in der Praxis die Entstehung einer Aktionseinheit der Arbeiter verhindert habe.<ref>Schmierer, Joscha: Sozialfaschismusthese und politische Programmatik der KPD 1928-33 (Sept. 1975) Materialien zur Analyse von Opposition, 1975, S.6f.</ref> Zusammenfassend trifft der KBW-Autor die EinschĂ€tzung: âDie Sozialfaschismusthese ist [âŠ] eine von mehreren wichtigen Abweichungen vom Marxismus-Leninismus, die die Politik der Komintern und insbesondere die Politik der KPD nach dem VI. Weltkongress kennzeichneten. [âŠ] Durch den VII. Weltkongress wurden diese Fehler korrigiertâ.<ref>ebd., S.5f.</ref> Allerdings habe der VII. Weltkongress, die Sozialfaschismus-These nur âunter der Handâ<ref>ebd., S.13</ref> revidiert, dies zeige die SchwĂ€che des VII. Weltkongresses, âdie in einer Verharmlosung der Sozialfaschismus-These und der durch sie verursachten Fehler bestandâ<ref>ebd.</ref>. Der Kommunistische Bund (KB) beschĂ€ftigte sich in den 70ern und frĂŒhen 80ern schwerpunktmĂ€Ăig mit der âFaschisierungâ der Gesellschaft. Laut dieser These muss der Ăbergang von der bĂŒrgerlichen Demokratie zur âoffenen terroristischen Diktaturâ nicht unbedingt plötzlich (z.B. durch einen Putsch) vollzogen werden, sondern kann sich auch unter formaler Beibehaltung der bĂŒrgerlichen Institutionen schleichend vollziehen (etwa durch die EinfĂŒhrung von Notstandsgesetzen und eine allmĂ€hliche Militarisierung). Zur Rolle der SPD in diesem Prozess, analysieren sie, dass diese die Faschisierung vorantreibe, aber selbst keine Faschisten seien.<ref>Steffen, Michael: Geschichten vom TrĂŒffelschwein. Politik und Organisation des Kommunistischen Bundes 1971-1991, 2002, S.127.</ref> Die SPD sei im Vergleich zur CDU das kleinere Ăbel, gegen die CDU sei folglich der HauptstoĂ zu fĂŒhren. Der KB rief als Konsequenz auch zeitweise zur Wahl der SPD auf und unterbreitete ihr Kooperationsangebote â bis hin zum Aufruf, Willy Brandt zu wĂ€hlen (1972).<ref>ebd., S.135f. und 140.</ref> Insgesamt finden sich im Spektrum der K-Gruppen alle Positionen zur Sozialfaschismusthese wieder, die es in der kommunistischen Bewegung insgesamt gibt. === MLPD === Die MLPD verurteilte zwar auf der einen Seite die Sozialfaschismusthese der KI und KPD als falsch und mitverantwortlich fĂŒr das Scheitern der Einheitsfront<ref>MLPD: Fremdwörter und BegriffserklĂ€rungen, Essen 2000, S.13</ref>, benutzt selbst aber den Begriff âsozialfaschistischâ um eine bestimmte Form der Demagogie zu kennzeichnen, Sozialfaschismus sei âPolitik, die sich sozial nennt, aber in Wirklichkeit Faschismus ist, gewaltsame UnterdrĂŒckung der Arbeiterbewegungâ.<ref>Ebd.</ref> âAls Reaktion auf die siegreiche Oktoberrevolution [âŠ] errichteten die Monopole 1933 eine faschistische Diktatur zum Erhalt ihrer Macht [âŠ] und benutzten eine rassistische, die Begriffe des Sozialismus missbrauchende sozialfaschistische Demagogie.â<ref>MLPD: TĂŒrkei. Erdogan-Gegner schlieĂen sich zusammen, 2016, S.33.</ref> Aber die MLPD verwendet den Begriff 'Sozialfaschismus' nicht nur historisch, sondern auch programmatisch mit Bezug auf die Gegenwart: âDie MLPD (âŠ) hilft den Massen, den Einfluss sozialfaschistischer Demagogie sowie nationalistische und rassistische Vorurteile zu ĂŒberwinden.â<ref>MLPD: TĂŒrkei. Erdogan-Gegner schlieĂen sich zusammen, 2016, S.142.</ref> Wer die TrĂ€ger dieser sozialfaschistischen Demagogie sind, wird z.B. in einem Interview mit Stefan Engel 2015 der Roten Fahne konkretisiert. Der ehemalige Parteivorsitzende sagt in Bezug auf den âISâ, dieser praktiziere eine âNeue Art des Faschismusâ und könne mit seiner âsozialfaschisischen Demagogieâ besonders viele Jugendliche aus Europa in seinen Bann ziehen.<ref>Engel, Stefan: Der Stimmungsumschwung 2015 und der X.â Parteitag der MLPD, in: Rote Fahne 2015. </ref> Die MLPD-Definition von âSozialfaschimusâ ist also eher zu verstehen als Synonym zur Formulierung von der "sozialen Demagogie der Faschistenâ. Mit der Kennzeichnung von reaktionĂ€rer Politik der Sozialdemokratie wie durch die Weimarer KPD, hat das also nichts zu tun. In Bezug auf die SPD wird auf die Analyse MLPD-MitbegrĂŒnders Willi Dickhut verwiesen: âDie Diffamierung aller Sozialdemokraten als Sozialfaschisten zerstörte bestehende Kontakte zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten und verhinderte die Schaffung einer proletarischen Einheitsfront, die als starkes RĂŒckgrat einer breiten antifaschistischen Aktionseinheit die MachtĂŒbernahme Hitlers hĂ€tte verhindern können.â<ref>zitiert nach MLPD: Wie und warum die Herrschenden die Geschichte fĂ€lschen, 2013.</ref> Auch wenn die MLPD den Begriff des Sozialfaschismus nicht fĂŒr die SPD gebrauchen wollte, schien sie (zu diesem Zeitpunkt noch als KABD) keinen Widerspruch darin zu sehen, Anfang der 1980er die sowjetische Politik als âsozialfaschistischâ zu bezeichnen. Angesichts der VerhĂ€ngung des Kriegsrechts in Polen 1981 durch die Volksrepublik sprach die MLPD von einer âErrichtung der sozialfaschistischen Diktatur in Polenâ unter dem Druck der Sowjetunion.<ref>MLPD: Vor 30 Jahren: Errichtung der sozialfaschistischen Diktatur in Polen, 2011.</ref> === Trotzkisten === Leo Trotzki schrieb frĂŒh aus dem Exil vehement gegen die Sozialfaschismusthese an und forderte in diversen Artikeln ein engeres BĂŒndnis zwischen KPD und SPD. Seine Differenzen mit der FĂŒhrung der KPD lagen nicht hauptsĂ€chlich in der EinschĂ€tzung des Charakters der SPD, allerdings betonte er die feste Verbindung der Sozialdemokratie zu bĂŒrgerlich-demokratischen âpazifistischenâ Herrschaftsformen und wollte sie so bĂŒndnisfĂ€hig machen (vgl. Trotzki 1933).<ref>vgl. Trotzki, Leo: Vor der Entscheidung, 1933.</ref> 1930 schrieb Trotzki ĂŒber die Sozialfaschismusthese: {{Zitat |Die Kommunistische Partei hat sich trotz ausnehmend gĂŒnstiger Bedingungen als zu schwach erwiesen, das Gebilde der Sozialdemokratie mit Hilfe der Formel des »Sozialfaschismus« zu erschĂŒttern; [âŠ] Mag die Feststellung, daĂ die Sozialdemokratie durch ihre gesamte Politik das AufblĂŒhen des Faschismus vorbereitet, noch so richtig sein, so ist es nicht weniger richtig, daĂ der Faschismus vor allem fĂŒr die Sozialdemokratie selbst eine tödliche Drohung darstellt, deren ganze Herrlichkeit untrennbar mit den parlamentarisch-demokratisch-pazifistischen Regierungsformen verknĂŒpft ist. [âŠ] Die Politik der Einheitsfront der Arbeiter gegen den Faschismus ist ein Erfordernis der gesamten Situation; [âŠ]. Die Bedingung des Erfolges ist das Fallenlassen von Theorie und Praxis des »Sozialfaschismus«, deren SchĂ€dlichkeit unter den gegenwĂ€rtigen Bedingungen katastrophal wird.|Trotzki, Leo: Die Wendung der Komintern und die Lage in Deutschland, 1930.}} An gleicher Stelle forderte er vehement das OrganisationsbĂŒndnis mit den sozialdemokratischen Parteien und Fraktionen.<ref>Ebd.</ref> Die trotzkistische Bewegung wie auch bĂŒrgerliche Wissenschaftler nach 1945, haben Trotzki als eine Art frĂŒhen und tragischen âProphetenâ stilisiert, der als einer der ersten die verhĂ€ngnisvollen Fehler der KI und KPD-FĂŒhrung in Bezug auf den Sozialfaschismus erkannt habe, und vor allem als einer der wenigen auf die Gefahr des Faschismus hingewiesen habe. AuĂerdem als mutige Opposition gegen den âStalinismusâ.<ref>vgl. Brauns, Nick: Der Machtlose Prophet. Trotzkis Warnungen vor dem Nationalsozialismus, 1999.</ref><ref>vgl. Koch, Nikolas: Trotzki. FrĂŒhe Hinweise, 2010. </ref> Heute findet die Verbreitung der Thesen Trotzkis v.a. durch trotzkistische Gruppierungen und Zeitungen statt. Hier zu nennen sind das News-Portal âKlasse gegen Klasseâ, die Marx21-Plattform, die SAV, auĂerdem Autoren wie Nick Brauns, der regelmĂ€Ăig auch in nicht-trotzkistischen Zeitungen wie der Jungen Welt publiziert. Gemeinsam ist ihnen die EinschĂ€tzung der Sozialfaschismusthese als âultralinken Fehlerâ<ref>Stanicic, Sascha: Welcher Weg zum Sozialismus? Eine kritische Auseinandersetzung mit Theorie und Praxis von Linksruck, Berlin 2001, S.25. </ref>, und als einer der HauptgrĂŒnde der Niederlage der deutschen Arbeiterbewegung: âDie Sozialfaschismustheorie verhinderte nicht nur eine Einheitsfrontpolitik auf Seiten der KPD, sie fĂŒhrte auch dazu, dass die KPD-Mitgliedschaft die besondere Bedrohung, die durch die Nazis fĂŒr die Arbeiterklasse ausging nicht erkannteâ.<ref>KĂŒhne, Steve: Vor 80 Jahren: Das Kapital bringt Hitler an die Macht, 2013.</ref> Sie sehen in dem Bestreben kleiner trotzkistischer Gruppen in der Weimarer Republik die wahren Vertreter der Einheitsfront.<ref>ebd.</ref> Aber auch im klassischen Antifaspektrum findet durchaus positiver Bezug auf die SF-Analyse von Trotzki statt (s.u.). Verbunden wird die positive Bezugnahme auf Trotzki oft mit einem Angriff auf Ernst ThĂ€lmann, der als Stalins langer Arm aufgefasst wird.<ref>vgl. Bois, Marcel: Ernst ThĂ€lmann: Der Politiker Hinter Dem Mythos, 2018.</ref> So schreibt Brauns in der Jungen Welt in einem Artikel ĂŒber Ernst ThĂ€lmann, dieser trage Mitverantwortung an der Niederlage der Arbeiterbewegung durch das Vertreten der Sozialfaschismusthese: {{Zitat |Es gibt nur die seit 50 Jahren wiedergekĂ€ute ThĂ€lmann-Legende. [âŠ] Doch um wieviel mehr wĂ€re ThĂ€lmann ein politischer Bankrotteur zu nennen, der mit seiner Linie des scharfen Kampfes gegen den »Sozialfaschismus« der SPD die Mitverantwortung fĂŒr die Kapitulation der deutschen Arbeiterbewegung vor Hitler trĂ€gt?|Brauns, Nick: Geschichten um Teddy. Materialistische Geschichtsforschung statt linker Legendenbildung, in: Junge Welt, 03.05.2003}} Die SAV fasst Trotzkis Position, dieses âKĂ€mpfers gegen Kapitalismus und Stalinismus â wie folgt zusammen: {{Zitat |Ein Wesenszug des Faschismus lag in seiner existenziellen Bedrohung auch fĂŒr diese Arbeiterparteien mit bĂŒrgerlicher FĂŒhrung. [âŠ] Auf dieser Grundlage forderte Trotzki die Bildung einer Einheitsfront: Gemeinsamer Kampf gegen den Faschismus auf der Grundlage einer scharfen Trennung zwischen den Organisationen der Arbeiterklasse auf der einen und den Parteien des Kapitals auf der anderen Seite. [âŠ] Einem solchen Appell zu einer Einheitsfront aller Arbeiterorganisationen hĂ€tten sich auch sozialdemokratische Parteien und Gewerkschaften nicht entziehen können [âŠ] Forderungen [wie] zum Beispiel eine Entmachtung der hinter den Faschisten stehenden Kapitalisten, hĂ€tten sich recht natĂŒrlich aus dem gemeinsamen Kampf heraus entwickelt. Aus dem Kampf aller Arbeiterorganisationen gegen die unmittelbare Bedrohung des Faschismus hĂ€tte sich der Kampf [âŠ] fĂŒr revolutionĂ€r-sozialistische Ideen entwickelt, als einzigem Ausweg vor der kapitalistischen Konterrevolution in Gestalt des Nationalsozialismus entwickelt.|Kimmerle, Stephan: Wer war Leo Trotzki? KĂ€mpfer gegen Kapitalismus und Stalinismus, 2000.}} Auch hier zeichnet sich die oben angesprochene WidersprĂŒchlichkeit ab. Auf der einen Seite solle dieses BĂŒndnis eine scharfe Trennlinie zu den bĂŒrgerlichen Parteien entwickeln, auf der anderen Seite teilten diese die grundlegende Abwehr des Faschismus und es sei möglich auf Basis eines solchen BĂŒndnis ârevolutionĂ€r-sozialistische Ideenâ zu entwickeln. Viele Trotzkisten beziehen sich auf eine kleine trotzkistische Gruppe in der Weimarer KPD-Opposition, die âLinke Opposition (LO)â.<ref>vgl. Flakin, Wladek: Vergessene KommunistInnen, 2013.</ref><ref>vgl. Kropf, Albert: Von der Republik zum BĂŒrgerkrieg, 2006.</ref> === Linksradikale Antifas === In der linksradikalen Antifabewegung ist gemÀà ihrer Neigung zum Sozialdemokratismus und Antikommunismus auch bei den mit der historischen Arbeiterbewegung sympathisierenden Teilen schnell der âstalinistischeâ Kurs der KPD als Schuldiger fĂŒr die Niederlage ausgemacht. Sie betrachten den Kampf gegen die Sozialdemokratie teils stark vereinfachend als einen Kampf gegen âAbweichlerâ und projizieren aktuelle Diskussionen auf die Weimarer Republik, indem sie der KPD die Spaltung einer damaligen âLinkenâ vorwerfen, die im antifaschistischen Kampf ĂŒber alle Differenzen hinweg hĂ€tte vereint werden mĂŒssen. So schreibt die A.L.I. aus Göttingen 2014: {{Zitat | 1=Die MachtkĂ€mpfe innerhalb der KPdSU nach Lenins Tod 1924, die sich vor allem zwischen Stalin und Trotzki abspielten, waren die Grundlage fĂŒr die âSozialfaschismustheseâ, die in Deutschland verfolgt wurde: Stalin und seine AnhĂ€nger bereiteten sich auf einen Kampf vor gegen alle, die nicht ihre Linie verfolgten. Sie trafen Absprachen mit der Leitung der KPD, die auch in Deutschland den Kampf gegen âabweichende KrĂ€fteâ fĂŒhren sollte. So wurde nun die SPD als âsozialfaschistischâ betrachtet und musste nach dieser Logik als erstes bekĂ€mpft werden. Dies verkannte nicht nur die Gefahr des Faschismus, sondern vertiefte auch die Spaltung und SchwĂ€chung der Linken. | 2=BroschĂŒre der Antifaschistischen Linken International: Antifaschistische Geschichtspolitik, Göttingen 2014, S.12.}} Der der autonomen Szene angehörige Schriftsteller Bernd Langer erklĂ€rt in der Flugschrift anlĂ€sslich des 80-jĂ€hrigen JubilĂ€ums der Antifaschistischer Aktion sogar die SFT als taktischen Schachzug Stalins um das âgeheime BĂŒndnisâ zwischen Deutschland und der Sowjetunion nicht zu gefĂ€hrden: {{Zitat | 1=Dass die Sozialfaschismus-Politik zur weltweiten Richtschnur der Kommunisten wurde, hatte seine GrĂŒnde in der Sowjetunion. Dort hatte sich Josef Stalin 1927 endgĂŒltig als unumschrĂ€nkter Alleinherrscher durchgesetzt. Hinsichtlich Deutschlands hatte der Diktator aufgrund eines geheimen RĂŒstungsabkommens ein besonderes Interesse. Die Reichswehr half, die Rote Armee aufzubauen. Im Gegenzug konnten sich deutsche Soldaten auf russischem Gebiet an Waffen ausbilden, die ihnen der Versailler Vertrag in Deutschland verbot. Dieses Geheimabkommen gefĂ€hrdete die SPD, denn sie propagierte einen gegen die Sowjetunion gerichteten Kurs und strebte eine AnnĂ€herung mit Frankreich an. | 2=Langer, Bernd: 80 Jahre Antifaschistische Aktion, Göttingen 2012, S.15.}} Auch Langer kann aber nicht leugnen, dass die SF-These eine reale Grundlage in den Erfahrungen der KPD mit der SPD hatte.<ref>Ebd.</ref> Exemplarisch fĂŒr Positionen in der Radikalen Linken noch zu nennen, ist das als EinfĂŒhrungsbuch konzipierte ''Antifa'' von einem Autorenkollektiv aus der Frankfurter antifaschistischen âLinkenâ. Nicht genug, dass die Autoren ĂŒber die Rolle der SPD in der Niederschlagung der Novemberrevolution, dem Aufbau der Freikorps, dem Aufbau eines arbeiterfeindlichen Polizeiregimes weitgehend schweigen. Sie machen sich auch gar nicht erst die MĂŒhe, die Sozialfaschismusthese inhaltlich zu widerlegen. Es genĂŒgt die fĂŒr sich selbst sprechende Betitelung des entsprechenden Buchabschnitts als âSozialfaschismusthese und Siegeszug des Faschismusâ (Keller et. Al, S.26).<ref>Keller, Mirja et al: Antifa. Geschichte und Organisierung, Stuttgart 2011, S.26. </ref> Die Autoren scheuen sich auch nicht, Mythen aus der Totalitarismus-Mottenkiste zu holen. Nicht nur habe die KPD âabsurderweiseâ der SPD Schuld am Erstarken des Faschismus gegeben, sondern auch die NSDAP punktuell in ihre Einheitsfront einbezogen: {{Zitat | 1=Als infolge der Notverordnungen [âŠ] die Löhne bei den Berliner Verkehrsbetrieben gesenkt werden sollten, unternahm die KPD ihren politisch fatalsten Versuch einer »Einheitsfront« der ArbeiterInnenklasse. In der Leitung des am 2.November 1932 ausgerufenen Streiks saĂen neben KPD-Angehörigen und SozialdemokratInnen auch zwei Mitglieder der Nationalsozialistischen Betriebszellenorganistion. Die reale Zusammenarbeit zwischen KommunistInnen und Nazis war zwar begrenzt, das politische Signal war jedoch fatal. Der BVG-Streik [âŠ] zeigt die grobe FehleinschĂ€tzung des Nationalsozialismus durch die KPD. | 2=Keller, Mirja et al: Antifa. Geschichte und Organisierung, Stuttgart 2011, S.26.}} Damit haben sie das âParadepferd der Totalitarismustheorieâ (Oltmann 1982) herbeizitiert, und liegen dennoch in der historischen Bewertung komplett daneben. In Wirklichkeit war das Agieren der KPD im BVG-Streik ein taktischer Schachzug zur Entlarvung der arbeiterfeindlichen Haltung der NSDAP. Ihr Ziel war es deren soziale Demagogie vor den HitleranhĂ€ngern in der Arbeiterschaft aufzudecken. Es handelt sich hier keinesfalls um eine Zusammenarbeit mit NS-Organisationen.<ref>vgl. Oltmann, Joachim: Das Paradepferd der Totalitarismustheorie. Der Streik der Berliner Verkehrsarbeiter im November 1932, Berlin 1982.</ref> Ihr Beleg fĂŒr diese Behauptung stammt ĂŒbrigens bezeichnenderweise aus einer Publikation der Landeszentrale fĂŒr politische Bildung. Der Band aus dem Schmetterling-Verlag, der auch von der Bundeszentrale fĂŒr politische Bildung stammen könnte, gehört natĂŒrlich nicht mehr in die innerkommunistische Debatte. Allerdings haben solche Positionen Einfluss in weiten Teilen der antifaschistischen Linken und tragen zur Verbreitung von antikommunistischem Bewusstsein in dieser bei. AuffĂ€llig ist bei all diesen Gruppierungen ein positiver Bezug auf die Analysen von Thalheimer und Trotzki in Bezug auf die Sozialfaschismusthese.
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