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zurĂŒck zur [[AG Dialektischer Materialismus]] == Einleitung == Die Frage danach ob, in welchem MaĂe und auf welche Weise wir die Welt erkennen können, beschĂ€ftigt seit Menschengedenken die Gedankenwelt der Menschen. Schon in der Antike trennten sich die ErklĂ€rungsversuche in materialistische und idealistische Strömungen. Auch wenn im Prozess der Bewusstwerdung des Menschen im Laufe der Menschheitsgeschichte die UnzulĂ€nglichkeiten der verschiedenen AnsĂ€tze immer wieder in Frage gestellt, erweitert und aufgehoben wurden, sind bis heute die Meinungsunterschiede nicht aus der Welt. Wir gehen von der historisch-materialistischen Annahme aus, dass die das Sein der Menschen ihr Bewusstsein bestimmt und dass die Erkenntnistheorie nach Lenin â[âŠ] den Ăbergang von der Unkenntnis zur Erkenntnis erforscht und verallgemeinert.â (Lenin, 21, 42). Aufbauend auf Marx, Engels und Lenin entwickelte sich in der SU eine bestimmte Erkenntnistheorie, die auch als Widerspiegelung- bzw. Abbildtheorie bekannt wurde. Diese Theorie wurde und wird bis heute einer scharfen Kritik - gerade innerhalb der verschiedenen marxistischen Strömungen - unterzogen. Diese Auseinandersetzung hĂ€lt bis heute an. Mangels einer systematischen Ausarbeitung können wir uns hier nur Schritt fĂŒr Schritt und kollektiv einen Ăberblick ĂŒber den Dissens in dieser Frage annĂ€hern. Interessierte werden hiermit aufgerufen, sich mit ihrem Wissen an uns zu wenden und uns zu helfen eine systematische und differenzierte Ăbersicht in dieser Frage zu verschaffen. Das ist wohl die notwendige Grundlage fĂŒr die Arbeit an diesen Fragen. == Die Erkenntnistheorie des Marxismus-Leninismus == Allgemein betrachtet, geht die Abbildtheorie zunĂ€chst von der Aussage aus, dass das Ideelle im Menschengehirn eine Ăbersetzung des Materiellen darstellt. Sie geht von der Existenz einer objektiven RealitĂ€t aus, die wenn auch nicht zu hundert Prozent, so doch im Laufe des historischen Erkenntnisprozesses, annĂ€herungsweise erkannt werden kann. Im Philosophischen Wörterbuch heisst es dazu: â[âŠ] sie erfaĂt im Unterschied zu jeder anderen Erkenntnistheorie den sozialen Charakter und die soziale Determiniertheit des Abbildungsprozesses. Die gesellschftliche Praxis in ihren vielfĂ€ltigen Formen ist die Grundlage, auf welcher der AbbildungsprozeĂ im menschlichen Bewusstsein erfolgt.â <ref> Klaus, Georg / Buhr, Manfred (Hrsg.): Philosophisches Wörterbuch Band 1, Berlin 1971, S.33. </ref> Weiter wird zur Beschreibung der Abbildtheorie auf die âwidersprĂŒchliche Einheit von Objektivem und Subjektivem, von Unmittelbarkeit und Vermittlung, von Sinnlichem und Rationalem, von Abstraktem und Konkretem, von Empirischem und Theoretischemâ <ref> Ebd. S.33. </ref> eingegangen, die nach der Definition des Philosophischen Wörterbuchs, das die DDR-Philosophie der Zeit reprĂ€sentierte, von dieser eingeschlossen, also mitgedacht wird. Die Abbildtheorie wird dann sowohl von neupositivistischen AnsĂ€tzen der Zeichentheorie, als auch von âvulgĂ€rsoziologischen Vereinfachungen der Abbildtheorie im Sinne einer mechanischen Reflextheorieâ <ref> Ebd. S.34. </ref> abgegrenzt. Bezugnehmend auf "Lenins These vom Widerspiegelungsvermögen als allgemeiner Eigenschaft der Materie", schreiben Hörz / Röseberg: "Alle Widerspiegelungsformen, anorganische, organische, menschlich-gesellschaftliche, sind genetisch miteinander verbunden. FĂŒr alle Widerspiegelungsformen gelten folgende GesetzmĂ€Ăigkeiten: 1. Das Widergespiegelte existiert auĂerhalb und unabhĂ€ngig von seiner Widerspiegelung, die Widerspiegelung ist dagegen abhĂ€ngig vom Widergespiegelten [...]. 2. Die Widerspiegelung ist abhĂ€ngig von der qualitativen Bestimmtheit des widerspiegelnden Systems. 3. Die Widerspiegelung ist eine adĂ€quate Reproduktion von bestimmten Seiten und Merkmalen des Widergespiegelten [...]. 4. Die Widerspiegelung Ă€uĂert sich aktiv im Prozess der adĂ€quaten Reaktion des widerspiegelnden Systems. Diese vier Grundgesetze existieren in beiden Widerspiegelungsaspekten (strukturell-funktionellem, historisch-genetischem)." <ref> Hörz, Herbert / Röseberg, Ulrich: Dialektik der Natur und der Naturerkenntnis, Leipzig 2013, S.77. </ref> An diesen AusfĂŒhrungen können wir ansatzweise erkennen, wie ausdifferenziert die Bestimmungen der so genannten Abbildtheorie waren und noch im VerhĂ€ltnis zur Entwicklung der Wissenschaftsentwicklung werden können. == Widerspiegelung als mechanischer Materialismus == Aus der in den Sechziger Jahren in Jugoslawien entstandenen Strömung der so genannten Praxisphilosophie um die Zeitschrift Praxis gab es kritische Anmerkungen bezĂŒglich der Abbildtheorie. Ausgehend von der Fokussierung auf den Begriff der Praxis, sollte auch das Denken des Menschen als praktische TĂ€tigkeit aufgefasst werden. Die Vorstellung einer Abbildung der Wirklichkeit durch das menschliche Bewusstsein lehnten sie ab und kritisierten sie als Fortsetzung des mechanischen Materialismus. Vertreter dieser Schule waren K. Kosik, G.Petrovic, M. Markovic, teilweise wird auch E. Bloch dieser Denkrichtung zugeordnet. Dieser Kritik der Abbildtheorie entgegneten DDR-Philosophen, wie z.B. A. Kosing, dass die Praxis-Gruppe die Ăberwindung des mechanischen Materialismus durch den dialektischen Materialismus ignorieren wĂŒrde. Der mechanische Materialismus hĂ€tte den AbbildungsprozeĂ als einen passiven, mechanischen und unhistorischen Vorgang aufgefaĂt, wohingegen der dialektische Materialismus diesen ProzeĂ als einen Stoffwechsel zwischen der praktisch-schöpferischen TĂ€tigkeit und dem sich dadurch verĂ€ndernden Bewusstsein begreift. âErst der Marxsche Materialismus konnte durch das historisch-materialistische VerÂstĂ€ndnis des Menschen und seiner gesellschaftlichen Praxis auch den ganzen ProÂzeĂ der geistigen Aneignung, den komplizierten ProzeĂ der Ăbersetzung des MaÂteriellen in Ideelles, den historisch bedingten AbbildungsprozeĂ der Wirklichkeit im menschlichen BewuĂtsein als aktive, schöpferische gesellschaftliche TĂ€tigkeit fassen. Damit erhielt die Abbildtheorie eine neue QualitĂ€t, die dem neuen, dialektisch-histoÂrischen Materialismus entspricht; und damit gewann der Abbildbegriff auch einen neuen Inhalt.â <ref> Kosing, Alfred: Karl Marx und die dialektisch-historische Abbildtheorie. Erstveröffentlicht 1968 in dem Sonderheft der Deutschen Zeitschrift fĂŒr Philosophie. 3.-6. </ref> Auch A. Schmidt, der der Frankfurter Schule zuzuordnen ist, kritisierte die Abbildtheorie in einer Ă€hnlichen Art und Weise wie die Praxis-Gruppe. Jedoch reduzierte sich seine Kritik hĂ€ufig auf sprachliche MĂ€ngel bzw. Probleme mit der Metaphorik des Spiegels bzw. des Abbilds. Der Sache nach argumentierte er jedoch sehr nah an der Abbildtheorie. Die Auseinandersetzungen rund um den Mechanismus-Einwand der Kritiker schlug sich in den philosophischen BlĂ€ttern wie Das Argument oder PROKLA nieder. Daran beteiligten sich zahlreiche, manche bis heute aktive, Protagonisten mit marxistischer Orientierung. == Dualismus-Kritik == Eine weitere Kritik an der Abbild- bzw. An der Widerspiegelungstheorie war und ist, dass sie einen Dualismus von Subjekt-Objekt beinhaltet. Ein solcher Dualismus wĂŒrde dem dialektischen Denken widersprechen. Dem Vorwurf des Dualismus halten die Vertreter der Abbildtheorie entgegen, dass nur eine Reduktion der Abbildtheorie bzw. eine falsche Interpretation der Metapher des Abbildes oder des Spiegels zu solchen reduktionistischen Darstellungen fĂŒhren können. Der dialektische Materialismus mache keine simple Trennung zwischen Subjekt und Objekt auf, sondern unterstelle eine Einheit der beiden Begriffe. Renate Wahsner, eine Kritikerin der Abbildtheorie z.B., sieht in der Abbildtheorie eine âplumpe Objektbestimmtheit der Erkenntnisâ und auch âeine willkĂŒrliche, die Wirklichkeit verfehlende SubjektivitĂ€t.â <ref> Wahsner, Renate: âDie Materie der Erkenntnis kann nicht gedichtet werden.â, In: Zeitschrift Z, Nr. 77 / 2009. </ref> Nach ihr ist die Abbildtheorie nicht materialistisch und lĂ€ngst âantiquiertâ. Mit explizitem Bezug auf Hegel und Lenin schreibt Wahsner: âDas Wesen der Dialektik besteht hiernach darin, die durch die Eigenart des Denkens und Empfindens bedingte Auseinanderlegung der Momente aufzuheben, sie zu ihrer Einheit zusammenzudenken. (Hierbei darf man natĂŒrlich nicht vergessen, daĂ auch dialektisches Denken Denken ist.) Die Einsicht in diesen â nicht liquidierbaren â Sachverhalt muĂ jeder Weltbetrachtung zugrunde gelegt werden.â <ref> Ebd. </ref> Die Subjekt-Objekt-Einheit konsequent durchzuhalten gehe der Abbildtheorie ab, so die Kritik. Mit ihren Argumenten setzt sich W. Schmidt in der Zeitschrift Aufhebung kritisch auseinander. <ref> Schmidt, Wolfgang: Adieu Materie, Materialismus Adieu. Statt einer Replik, Aufhebung 11 / 2018, Berlin 2018. </ref>. Schon in den Siebziger Jahren wurden diese und Ă€hnliche Auseinandersetzungen gefĂŒhrt. Die Frage, um die sich die Protagonisten drehen, ist ob und wenn ja in welcher Weise die Abbildtheorie die Einheit von Subjekt und Objekt in Frage stellt. Den Kritikern der Abbildtheorie wird von den Verteidigern die Aufgabe materialistischen Denkens zum Vorwurf gemacht. âDer Materialismus der âmaterialistischenâ Erkenntnistheorie ist gegenwĂ€rtig vielfach gefĂ€hrdet. ReprĂ€sentative StoĂrichtung des Antimaterialismus ist die Widerspiegelungstheorie. Sieht man von den idealistischen Einlassungen (Ă la Leist) ab, beherrschen Rechts- und Linksreviosionsmen die Szene. In einem sind sie allemal einig: aus der doppelten â materiell-gegenstĂ€ndlichen ontologischen und sozialhistorischen wie historisch-logischen â Determinationsstruktur der Erkenntnis wird die vermeintlich mechanistische âontologischeâ Determinante herausgebrochen; ĂŒbrig bleibt die verabsolutierte âpraktischeâ Seite. Diese âPraktifizierungâ der Determinantenanalyse findet sich vor allem in zwei Revisionismen: dem neukantianisch-neuhegelianischen Revisionismus der jugoslawischen âPraxis-Philosophieâ und der vormals âkritischenâ Schule der Kritik aus Frankfurt; zum anderen im ambivalenten Konzept jender, die auf Praxis setzen, aber nicht mehr jene der Menschen meinen, sondern die der autonomen (Waren-) Substanz; [âŠ]â <ref> SandkĂŒhler, Hans Jörg: Streitbarer Materialismus?, In: Das Argumment 92/1975, S.613. </ref> Damit faĂt SandkĂŒhler die, seiner Auffassung nach, relevanten Angriffe auf die Abbildtheorie als eigentlich antimaterialistische Angriffe zusammen. Betont wird von ihm, dass dieser Streit als Teil des Klassenkampfes zu begreifen sei. == Bezug zu unseren Grundannahmen == Unsere Annahmen zum Fragekomplex Bewusstsein und Widerspiegelung findet ihr unter [[Bewusstsein | unseren Grundannahmen zu Bewusstsein]]. Hier eine Zusammenstellung der wichtigsten Annahmen auf einen Blick: Das Bewusstsein ist ein Erzeugnis und eine Funktion des Gehirns. Das Bewusstsein ist das höchste Produkt der Materie. Erkenntnistheoretisch ist das BewuĂtsein sekundĂ€r gegenĂŒber der Materie. BewuĂtsein hat die FĂ€higkeit die AuĂenwelt widerzuspiegeln, abzubilden. Die Menschen sind die Produzenten ihrer Vorstellungen. Ihre Vorstellungen resultieren aus dem materiellen Produktionsprozess ihres Lebens, aus den ProduktionsverhĂ€ltnissen. Das Bewusstsein ist nichts anderes als das bewusste Sein. Die Struktur der Gesellschaft ist bestimmt die Vorstellungen einer Gesellschaft. Ein allumfassendes, abgeschlossenes System der Erkenntnis widerspricht der Dialektik. Die AnnĂ€herung an die objektive RealitĂ€t ist historisch bedingt. Materie besitzt grundsĂ€tzlich die Eigenschaft der Widerspiegelung. Die Widerspiegelung der objektiven GesetzmĂ€Ăigkeiten durch unser Bewusstsein hat relativen Charakter. Unsere Begriffe sind immer nur eine AnnĂ€herung an die Wirklichkeit, aber nie eine vollstĂ€ndige Erfassung (Asymptotische AnnĂ€herung) Das Denken, das Bewusstsein des Menschen drĂŒckt sich materiell in Sprache aus. Sprache entsteht aus dem BedĂŒrfnis des Verkehrs mit anderen Menschen. Das Bewusstsein ist ein gesellschaftliches Produkt. Das Bewusstsein entwickelt sich historisch vom Niederen zum Höheren (Widerspiegelung/Verarbeitung. Das Denken reflektiert die praktische TĂ€tigkeit der Menschen. Die gesellschaftliche Erkenntnis, das gesellschaftliche Bewusstsein, spiegelt die ökonomische Struktur der Gesellschaft wider. Der geistige Ăberbau einer Gesellschaft (Philosophie, Religion, Politik Kultur) wird bestimmt durch die ökonomische Basis (ProduktionsverhĂ€ltnisse). Die Erkenntnisse des Bewusstseins können im Gebrauch, im Experiment, ĂŒberprĂŒft werden. == Wie wollen wir den Dissens behandeln? == Wir haben es beim Thema "Abbildtheorie" mit einem sehr groĂen, sehr viele Fragen umfassenden Komplex zu tun. Diese Frage hĂ€ngt eng mit der philosophischen Kategorie der Materie als objektive RealitĂ€t zu tun. Wie in fast allen anderen Fragen, gehört hier die (Wieder-)Aneignung der Grundlagen durch die intensive Auseinandersetzung mit den Klassikern zu den ersten Aufgaben. Zweitens gilt es auch hier die Erkenntnisse und Debatten marxistisch-leninistischer Wissenschaftler zu sammeln und zu systematisieren. Erst dann können wir zur wirklichen KlĂ€rung der Dissenspunkte schreiten. Dabei gilt es die Kritiker der Abbildtheorie auf ihre eigenen Grundannahmen und Urteile hin zu ĂŒberprĂŒfen. Diese Kritik gilt es wiederum vor dem Hintergrund von Krisenerscheinungen und historischen RĂŒckschlĂ€gen einzuordnen und aufzuzeigen, wie diese selbst nur eine Widerspiegelung einer bestimmten gesellschaftlichen Entwicklung sind. == Literatur zum Thema == Hörz, Herbert / Röseberg, Ulrich: Dialektik der Natur und der Naturerkenntnis, Leipzig 2013, URL: http://www.max-stirner-archiv-leipzig.de/dokumente/Hoerz-Roeseberg-Dialektik.pdf (zuletzt abgerufen am 19.12.18). Klaus, Georg / Buhr, Manfred (Hrsg.): Philosophisches Wörterbuch Band 1, Berlin 1971. Kosing, Alfred: Karl Marx und die dialektisch-historische Abbildtheorie. Erstveröffentlicht 1968 in dem Sonderheft der Deutschen Zeitschrift fĂŒr Philosophie. 3.-6. (http://www.trend.infopartisan.net/trd1014/t091014.html) Wahsner, Renate: âDie Materie der Erkenntnis kann nicht gedichtet werden.â, In: Zeitschrift Z, Nr. 77 / 2009. (http://www.zeitschrift-marxistische-erneuerung.de/article/1023.die-materie-der-erkenntnis-kann-nicht-gedichtet-werden.html#_ftn25) Schmidt, Wolfgang: Adieu Materie, Materialismus Adieu. Statt einer Replik, Aufhebung #11 | 2018, Berlin 2018. SandkĂŒhler, Hans Jörg: Streitbarer Materialismus?, In: Das Argumment 92/1975. (http://www.inkrit.org/mediadaten/archivargument/DA092/DA092.pdf) == Einzelnachweise == [[Kategorie: AG Dialektischer Materialismus]] [[Kategorie: Dissens]] [[Kategorie: Dissens AG Dialektischer Materialismus]]
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